Im zweiten Teil unserer Reihe Schweinerassen der Welt beschäftigen wir uns mit der Entstehung der organisierten Schweinezucht, die die  vielen verschiedenen Rassen hervorgebracht hat.

Der Startschuss fiel im 18. Jahrhundert zur Zeit der einsetzenden industriellen Revolution in England. Um Arbeit zu finden, zogen immer mehr Menschen in die Städte. Diese verlangten u.a. nach Fleisch. Die englischen Bauern befriedigten die Nachfrage, indem sie frohwüchsige asiatische Schweine aus den englischen Kolonien in China, Indien und Schweine aus romanischer Zucht importierten und in die eigenen Landrassen einkreuzten.

Die Abkömmlinge des keltisch-germanischen großohrigen Landschweines, auch als “altes englisches Schwein” bezeichnet, war die Ausgangsrasse für die Veredelung hin zu den modernen Schweinerassen. Edel bedeutet in diesem Zusammenhang nicht kostbarer, sondern ist eher subjektiv gemeint. Eine Verbesserung der Eigenschaften, die den primitiven Schweinen fehlten, natürlich aus der Sicht der Menschen. Die alten regionalen Landrassen bzw. -schläge waren spätreif und wogen erst mit 3 – 4 Jahren 400 bis 500 kg (Rohde; Schmidt 1920).

Es gab viele Rückschläge und nur langsame Fortschritte, um das Ziel, die Vorteile der nordwesteuropäischen alten Schweinerassen (scrofa-Typ) und die der asiatischen (vittatus-Typ) Schweine aus China und Siam, die bereits von der romanischen Zucht (hoher Fettanteil) der neapolitanischen und portugiesischen Schweine beeinflusst waren, zu verbinden. Die züchterische Leistung lag darin, dauerhaft Nachzuchten mit den Vorzügen beider Typen zu erzeugen, ohne von beiden die wünschenswerten Merkmale zu verlieren.

 

Durch Auswahl geeigneter Zuchttiere entstand 1770 das Leicester und wenig später folgte das Small White sowie das Essex (1800). Ganz besonderen Einfluss auf die Schweinezucht sollte das Mitte des 19. Jahrhunderts gezüchtete Yorkshire, in seiner Form als Large White und Middle White, haben. Diese Rassen wurden 1960 nach Deutschland importiert. Die entstandenen Rassen wurden zunächst nach Regionen der jeweiligen Zuchtstätten benannt. Später konnte aber nach Farbe und Größe in Rassengruppen unterschieden werden:

  • klein, mittelgroß bis groß, weiße Schweine  – Large White/Yorkshire 
  • klein, mittelgroß, schwarz – Berkshire
  • groß, schwarze – Cornwall
  • schwarz-weiß mit Hängeohren – Saddlebacks/Sattelschweine
  • schwarz-weiß mit Stehohren – Hampshire
  • Landschweine – Landschweinrassen

 

 

Abstammung der Schweinerassen

Schweinezucht in Deutschland

In Deutschland blieben die Veränderungen, die die industrielle Revolution mit sich brachte nicht aus. Die Entwicklung in der Tierzucht vollzog sich aufgrund demographischer, gesellschaftlicher, agrarpolitscher, marktwirtschaftlicher und naturwissenschaftlicher Hinsicht. Auch die deutschen Schweinezüchter sahen sich vor der Herausforderung gestellt, den Wechsel mitzumachen.

Die kostengünstige Fütterung der Schweine und schnelle Reproduktion erzeugte billiges Fleisch, billiger als Rindfleisch, was zu einer erhöhten Verbrauchernachfrage führte.  Das Entstehen von weltweiten Futtermittelmärkten, aufgrund der zunehmenden Stallhaltung der Schweine, für die vermehrt Ackerfutterbau betrieben werden musste, machte die Produktion vom Standort unabhängig.

Die heimischen Landrassen, diese alten (primitiven) Rassen sind heute alle ausgestorben. Sie konnten mit den modernen, schnellwüchsigen und auf hohe Wurfgröße ausgewählten Schweinen und die Intensivhaltung nicht konkurrieren.

Darunter war das Bayerische, das Düsselthaler (Meißner), das Baldinger Tigerschwein, das Hannover-Braunschweigische Landschwein, das Eifeler Schwein oder das weiße Fränkische Landschwein und das deutsche Weideschwein, welches 1975 als ausgestorben erklärt wurde. Diese Schweine wurden mit den Yorkshire-Rassen aus England gekreuzt und damit began die moderne Schweinezucht in Deutschland, mit all ihren negativen Folgen, die wir heute erleben.

 Mit der Industrialisierung begann die Veredelung bestehender Schweinerassen, was zur Gründung von Züchtervereinigungen und Fachorganisationen führte. Auch Fördermaßnahmen und Verordnungen des Staates begleitete diese Entwicklung.

 

Schweinehaltung früher und heute

Massentierhaltung - die Folge der organisierten Schweinezucht

In der Zeit nach dem 2. Weltkrieg wurde die Versorgung der Bevölkerung mit billigem Fleisch gefördert. Die Verantwortlichen der deutschen – wie auch der europäischen – Agrarpolitik, wünschten, neben der ausreichenden Ernährung der Menschen, ein gesichertes Einkommen für die Landwirte.

Anstatt vermehrt auf die Produktion pflanzlicher Nahrungsmittel umzusteigen, die weit mehr Menschen gesünder ernährt, die Umweltbelastungen und weniger Tierleid verursacht hätte, wurde auf Billigfleisch, Milch, Butter und Eier nach dem Motto Masse statt Klasse gesetzt.

Obwohl das Einkommen der Bevölkerung stieg, sanken die Gewinne der deutschen Landwirtschaft aufgrund der immer weiter fallenden Preise für Schweinefleisch jedes Jahr. Um diese Verluste auszugleichen, musste der Staat mit Subventionen finanziell unterstützen. Die Landwirte sahen sich gezwungen, die Kosten  der Fleischproduktion zu verringern. Das bedeutete mehr Schweine auf engerem Raum schneller zur Schlachtreife zu bringen und die Produktion – das Erzeugen von Nachwuchs – zu optimieren.

Die alten Schweinerassen wurden durch Leistungshybriden ersetzt. Die Rassenvielfalt verringerte sich. Die Haltungsbedingungen, wie sie in der Werbung heute noch dargestellt wird – glückliche Schweine im Stroh oder auf der Wiese – wurden durch

die Haltung auf Spaltenböden ersetzt, immer engerem Raum ohne Auslauf oder Tageslicht, Antibiotikaeinsatz statt Umwelteinflüsse. Kastenstände für die Sauen statt natürlicher Aufzucht. Kilometerlange Fahrten in überfüllten, nicht klimatisierten Transportfahrzeugen und Massenabfertigung bei der Schlachtung.

Bis heute müssen Millionen von Schweinen dieses Leben führen – jeglicher arteigener Verhaltnsweisen beraubt.

Es sind noch wenige, aber einige Landwirte und Selbstversorger besinnen sich darauf, dass das Schwein ein Lebewesen mit Bedürfnissen ist. Sie versuchen die Lebensbedingungen zu verbessern bzw. ihnen mehr zu bieten, als gesetzlich vorgegeben ist. Durch Zuchterhaltungsprogramme sollen die alten Rassen mit ihrem einzigartigen Genpool nicht aussterben.

Für uns von Schweineleben.de geht dies nicht weit genug. Denn egal, wie gut die Tiere versorgt und ihrem arteigenen Verhalten nachkommen können, am Ende sterben sie vor ihrer Zeit durch die Hand des Schlachters – meist in hochmodernen Schlachthäusern.