Das Wildschwein

Bachen mit Frischlingen

Sozialverhalten

Die Halbstarken

Wir haben uns das Liebesleben und die Kinderstube der Wildschweine angeschaut. Jetzt verfolgen wir die Entwicklung der Frischlinge weiter.

Die enge Sozialstruktur der Wildschweine spiegelt sich auch in der Pflege der Frischlinge wider. So werden alle Frischlinge von jeder Bache umsorgt. Es kommt vor, dass ein Frischling nicht nur an Mutters Zitzen hängt, sondern sich auch bei einer Tante bedient. Frischlinge lernen durch Rüsselkontakte den Duft des Muttertieres von den anderen Bachen zu unterscheiden. Dies wird von den sogenannten Prägungslauten unterstützt, die eine Bache ein Leben lang beibehält. Auch unsere Hausschweine “singen” ihren Kindern während des Säugens ein Lied.

Schweine sind von Natur aus sehr neugierig. So auch die Wildschweine und deren Nachwuchs. Frischlinge gehen gerne auf Erkundungsgänge. Allerdings halten sie sich meistens in der Nähe einer Bache auf, um im Falle einer Gefahr Schutz von ihr zu erfahren.

Im fortgeschrittenen Alter müssen die Frischlinge sich nun der Rangordnung innerhalb der Rotte beugen. So werden die jungen Wildschweine beim Fressen meist nur noch vom Muttertier in unmittelbarer Nähe geduldet.

Die Leitbache ist stets die erste am Futterplatz. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass deren Frischlinge oftmals das beste Futter abbekommen und größer und stärker sind als die restlichen Frischlinge der Rotte. Diese Frischlinge werden zur “Führungsperson” herangezogen und nehmen diese Position innerhalb ihrer späteren Gruppe mit großer Wahrscheinlichkeit ein.

Frischlinge, die älter als 1 Jahr sind, werden Überläufer genannt. Die männlichen Wildschweine schließen sich zu Überläuferrotten zusammen, um später als Einzelgänger durch den Wald zu streifen. Die weiblichen Wildschweine bleiben in der Regel bei ihren Müttern.

Untereinander herrschen oftmals sehr raue Sitten. Es wird mal geschnappt, geschubst und gestoßen. Das wird schon als Frischling geübt, indem sie wie die Großtiere die Köpfe seitlich gegen die Flanken des Widersachers schlagen. Wildschweine sind hart im Nehmen und nur selten kommt es zu gefährlichen Verletzungen. Das sieht zwar oft ziemlich rüde aus, ist aber halb so schlimm.

Unsere Hausschweine, ob Groß- oder Minischwein, stehen dem in nichts nach. Gerade bei den territorialen Minischweinen geht es, vor allem während einer Vergesellschaftung, ziemlich martialisch zu und manchmal fließt sogar Blut.

Junges Wildschwein
3 junge Wildschweine
Wildschweine Schulter an Schulter

Das Zusammenleben der Wildschweine

Wie alle Schweine haben auch Wildschweine ausgeprägte Sozialstrukturen. Wildschweine leben alle in einer sogenannten Rotte. Ganz im Gegenteil zum Irrglauben vieler Menschen ist diese Rotte nicht ein bunt zusammengewürfelter Haufen von irgendwelchen Wildschweinen, welche sich auf Wald und Feld begegnet sind. Die Tiere sind in der Regel miteinander verwandt. Rottenfremde Wildschweine werden meist nicht einmal in der Nähe geduldet und stets vertrieben.

Bei den Wildschweinen herrscht ein strenges Matriarchat. Angeführt wird eine Rotte von einer sogenannten Leitbache. Die Leitbache ist im Regelfall das älteste und erfahrenste Tier der Rotte. Die Körpergröße ist hierbei nicht maßgebend. Sie sorgt sich um den Nachwuchs, regelt die Fortpflanzung und verteidigt die Rotte gegen Bedrohungen jeglicher Art. Zum Beispiel führt sie geschickt ihre Familie durch die Reihen der Jäger, ohne dass diese etwas davon mitbekommen.

Eine Rotte besteht aus ungefähr 3-5 großen Bachen, welche alle miteinander verwandt sind, vereinzelt einigen Überläufern des Vorjahres und schließlich den heranwachsenden Frischlingen. So kann die Gesamtgröße der Rotte durchaus eine Anzahl von 20 Tieren erreichen und auch überschreiten. Die Überläufer werden in der Regel im Frühjahr von der Rotte “abgeschlagen”, das bedeutet, sie werden vertrieben, da die Bachen sich nun um den neuen Nachwuchs kümmern müssen. Der Keiler wird mit zunehmendem Alter immer mehr zum Einzelgänger und durchstreift alleine den Wald. Er hält immer einen Sicherheitsabstand zu den Rotten, denn die Leitbache könnte ein “Nahekommen” als Bedrohung werten.

Durch die starke Bebauungsdichte in manchen Regionen kommt es zunehmend zu immer kleineren Rotten, welche jeden verbleibenden Zipfel Natur zu nutzen verstehen. So kann es kleine Rotten mit 2 Bachen, oder gar Einzelbachen mit ihren Frischlingen geben.

Die Wildschweine sind eine der erfolgreichsten Spezies auf unserer Erde. Kaum eine andere Art ist so anpassungsfähig wie das Schwarzwild. Das Erfolgsgeheimnis ist der Zusammenhalt innerhalb der Rotte. Alles, was Wildschweine tun, machen sie gemeinsam.

 

Das gilt ebenso für unsere Schweine als Familienmitglieder. Schweine wollen nicht alleine sein. Nur ein einzelnes (Mini-)Schwein zu halten, ist keine Option. Es braucht wenigstens einen Artgenossen. Das wurde sogar in der Landwirtschaft berücksichtig, denn wenigstens Blickkontakt müssen Schweine haben – das ist gesetzlich geregelt.

Kessel02

Gemeinschaftsbett – der Kessel

Erblickt man im Verborgenen ein überdimensional anmutendes Vogelnest in unseren Wäldern, so ist dies kein Grund zur Sorge. Es haust dort kein Riesenvogel aus der Steinzeit, sondern es handelt sich um die Wohnung der Wildschweine – den Kessel.
Da alle Schweine einen warmen und trockenen Platz bevorzugen, befindet sich dieser Kessel an einer verborgenen Stelle im Dickicht des Waldes. Als “Polstermaterialien” dienen Blätter, Heu und Moos. In sumpfigen Gebieten liegen die Kessel etwas erhöht.

Ein Keiler kann oftmals über mehrere Monate im gleichen Kessel seine Ruhe suchen, während die Bachen mit ihrer Rotte oft den Platz wechselt. Dies tut sie nicht nur, um neue Nahrungsquellen zu suchen, sondern aus Sicherheitsgründen, um die Rotte nicht zu leicht angreifbar zu machen.

An warmen Tagen dient diese ausgehobene Kuhle auch der Regulierung der Körpertemperatur. Gerade am Tage, wenn die Wildschweine nicht unterwegs sind, ist ein kühler Schlafplatz ideal. Da Wildschweine wie alle Schweine nicht schwitzen können (sie besitzen keine Schweißdrüsen), überstehen sie die Tageshitze, indem sie sich in diese Kuhle auf den kühleren Waldboden legen.

Wird es aber zu heiß, dann geht es ab in die Suhle.

 

Wildschwein im Wasser

Baden und Körperpflege auf Wildschweinart

Das Suhlen ist eines der wichtigsten Beschäftigungen der Wildschweine. Vertiefungen, kleine Senken und Gräben in denen sich Wasser ansammelt, eignen sich bestens als Suhlen. Grund für das Schlammbad ist zum einen die Regulierung der Körpertemperatur (Schweine können nicht schwitzen!), die ab ca. 23° Celsius notwendig wird, zum anderen befreit der Schlamm das Tier von lästigen Mücken, Läusen oder Zecken.
Aus diesem Grund wird nicht gewartet, bis die Temperatur die 23° Marke übersteigt. Nur die Frischlinge warten mit dem ersten Schlammbad, bis sie etwas größer sind.

Bei großer Hitze wird sich mehrmals am Tage gesuhlt und an kalten Tagen findet es eher selten oder gar nicht statt. Auch das Suhlen ist eine gemeinschaftliche Aktivität.

Mahlbaum der Wildschweine

Im Bild oben sieht man den Mahlbaum und wo sich das Wildschwein geschubbert hat.  

Markierbaum eines Wildschweins

Auf dem obigen Bild erkennt man die Spuren, die ein Keiler mit seinen Hauern hinterlassen hat, um sein Revier zu markieren.

Bache am See

Leider sind unsere borstigen Freunde nicht so gelenkig, als dass sie sich überall kratzen könnten. Hat ein Wildschwein mal ein Kratzbedürfnis oder möchte es die eingetrocknete Schlammschicht entfernen, so kann es dieses an einem sogenannten Mahlbaum befriedigen. Hier wird sich ausgiebig “geschrubbt” und “geschubbert”!

Die Mahlbäume haben zusätzlich die Aufgabe, ein Revier abzugrenzen. Hierfür werden diese Bäume mit duftstoffhaltigem Speichel oder mit Sekreten aus den Augendrüsen markiert. Aber auch Keiler markieren Bäume mit ihren Waffen, um territoriale Ansprüche geltend zu machen.

Wildschweine markieren

Eine Bache markiert mit dem Sekret der Augendrüsen einen Baumstamm und ihr Frischling lernt gleichzeitig, wie Schwein das richtig macht.

Junges Wildschwein schubbert sich
Flüchtenes Wildschwein

Auf Trampelpfaden im Schweinsgalopp

Wildschweine haben wie viele Tiere ihre festen Wege. Diese Wege führen beispielsweise an einer bestimmten aus dem Wald heraus auf ein Feld. Solche immer wieder von Wildtieren benutzten Wege nennt man Wechsel. An ihnen findet also ein Wildwechsel statt. Daher kommt auch wohl der Name des Verkehrszeichens Wildwechsel, denn hier wechselt das Wild von einer Straßenseite auf die andere.

Im Galopp flüchten Wildschweine, wenn sie aufgeschreckt werden. Dabei können ausgewachsene Tiere mit jedem Galoppsprung bis zu zwei Meter zurücklegen. Wildschweine können eine Geschwindigkeit von etwa 40 – 50  km/h erreichen. Zudem sind sie in der Lage, rund 140–150 cm hochzuspringen.

Mit ein Grund, warum der Weidezaun um das Gehege unserer Hausschweine entsprechend hoch sein muss.

Solche Schilder werden nicht ohne Grund aufgestellt, denn an solchen Stellen ist in der Tat damit zu rechnen, dass Wild auf die Fahrbahn tritt!

 

An vielen Stellen kann man richtige Trampelpfade erkennen. Meist finden sich an diesen Pfaden auch Hufspuren, sogenannte Trittsiegel, der Wildschweine. Je nach Bodenbeschaffenheit sind diese gut zu erkennen. Sie bestehen aus einem größeren und stärkeren Abdruck, den der beiden vorderen Hufe, oder auch Schalen genannt. Dahinter lässt sich der weniger starke und ausgeprägte Abdruck der Afterklaue erkennen.

Dem Fachmann ist es anhand des Trittsiegels möglich, das ungefähre Alter und das Gewicht bestimmen. Als Faustformel gilt hier pro 1 cm Länge ca. 10 kg Gewicht des Wildschweins. So wäre ein Wildschwein, das ein Siegel von 5 cm hinterlässt ca. 50 Kg schwer. Gemessen wird dafür nur der kräftigere Abdruck der Schalen.

Wildschwein Trittsiegel

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