Frau Renate Künast als Helferin?

Ende April wussten wir immer noch nicht mit Sicherheit, was mit den überlebenden Schweinen von Alt Tellin geschehen war. Die Antwort des Landrates stand bis dahin noch aus. Die Mahnwachen vor Ort fanden wie immer jeden Montag statt, aber aus dem tiefen Westen der Republik konnten wir nur im Geiste dabei sein.

Uns war klar, dass wir öffentlichen Druck brauchten, um die LFD zur Herausgabe von zwei oder mehr Schweinen zu bewegen. Als Frau Renate Künast, Tierschutzbeauftragte der Grünen im Deutschen Bundestag, eine Twitternachricht rund um das Thema Alt Tellin veröffentlichte, nutzten wir die Gelegenheit, sie zu kontaktieren.
Sie sprach in ihrem Video darüber, dass sie eine lückenlose Aufklärung fordert und dass sie Fragen stellen wird. An die Bundesregierung und den zuständigen Minister Backhaus. Wir waren daher hoffnungsfroh, dass sie sich auch um den Verbleib der überlebenden Schweine Gedanken macht und unsere Bemühungen unterstützen würde.

Unsere Hoffnung wurde enttäuscht. Keine Antwort aus dem Büro der Tierschutzbeauftragten der Grünen. Nicht einmal eine dünne Mitteilung, dass sie dafür keine Zeit hätte. Auch keine Eingangsbestätigung. Die bittere Erkenntnis, dass die meisten Politiker sich gerne mit Parolen vor die Kamera stellen, aber am Ende nichts weiter als Worthülsen übrig bleiben. Taten zählen mehr als 1000 Worte, Frau Künast. Was sie konkret – bis auf zwei Videobotschaften – beim Themenkomplex Alt Tellin bewirkt hat, ist für uns weiterhin unklar.

Nach dieser herben Enttäuschung erhielten wir das Schreiben von Herrn Hasselmann und konnten aufatmen. Die Schweine leben (noch) und eine Rettung für Helga und Gundel war nicht undenkbar.
Der direkte Weg an die LFD schien uns aber zu riskant. In der angespannten Atmosphäre noch kurz nach dem Brand war es unwahrscheinlich, dass sie mit einem Tierschutzverein zusammenarbeiten würden. Daher entschlossen wir uns zunächst, anonym bei der LFD anzurufen und auszuloten, inwieweit wir direkt als Privatleute Schweine aus Alt Tellin kaufen könnten. Ein Freikauf, auch wenn er in Tierschutzkreisen oftmals verpönt ist, war die einzige realistische Option, die für Gundel und Helga in diesem Moment in Betracht kam.
Doch wir bissen auf Granit. Ein erstes Gespräch war erfolglos und ein versprochener Rückruf blieb aus.

Was nun? Einfach so aufgeben? Das kam für uns nicht infrage und so fassten wir den Entschluss, weitere Menschen mit ins Boot zu holen. Unsere Strategie, nicht nur das Leiden der Tiere von Alt Tellin zu thematisieren, sondern auch das der Helfer:innen vor Ort, war teilweise aufgegangen. Würden die Menschen, die das Grauen miterleben mussten, ebenfalls einen Hoffnungsschimmer benötigen? Würden sie die Rettung zweier Schweine unterstützen?

Wir wandten uns daher erneut an den Landrat des Kreises sowie auch direkt an die zuständige Feuerwehr und schilderten unser Vorhaben. Äußerten den Wunsch, zusammen mit ihrer Hilfe ein lebendiges Zeichen gegen den Wahnsinn von Alt Tellin zu setzen. Mit genügend neutralem, öffentlichen Druck, so unsere Denkweise, könnte sich die LFD gegen die Herausgabe von zwei Schweinen kaum wehren.

Doch unsere Gesellschaft scheint selbst in Angesicht tausendfachen Leids nicht bereit, Schweine als empathische, leidensfähige und schützenswerte Tiere anzusehen. Schweine sind „zum Essen da“. Und auch die Bediensteten der Behörden und der Feuerwehr konnten nicht über ihren Schatten springen. Zwei Schweine retten? Wozu? Wahrscheinlich wäre ein gemeinsamer Grillabend als Vorschlag eher angenommen worden. Bedauern und Mitleid mit geschundenen Schweinen gibt es in diesem Land kaum. Ob sowohl der stellvertretende Landrat Hasselmann und der zuständige Leiter der Feuerwehr unsere Schreiben seinen Kolleg:innen vorgestellt hat, bleibt bis heute – wie die Brandursache – ungeklärt.

Die 57.000 Leichen der verbrannten Artgenossen von Helga und Gundel waren inzwischen abtransportiert. Für sie hat es keine Hilfe gegeben. Die Presse sprach nur noch von Tonnen und Sondermüll. Niemand interessierte sich für die überlebenden Schweine.

Helga und Gundel standen inzwischen wieder in einem Kastenstand. Diesmal in der Nähe von Cottbus. Von einer Hölle in die nächste. Wir aber gaben immer noch nicht auf. Wollten sie retten. Wir blickten dabei tief in die Abläufe der Tierindustrie und erlebten ein Wechselbad der Gefühle. Am Ende hatte das Schicksal für Helga, Gundel und für uns noch einen weiteren Schlag vorgesehen. Drei unscheinbare Buchstaben, die wir bis dahin nicht auf der Rechnung hatten. Mehr dazu erfahrt Ihr im fünften Teil unserer Artikelreihe.

Bildquelle Frau Künast: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1740003