Feuer ist eine Naturgewalt. Unkontrolliert ist es ein Schrecken, der uns Menschen seit jeher in Angst und Panik versetzen kann. Die Vorstellung, von Flammen umzingelt zu sein, keine Fluchtmöglichkeit zu haben, der Gewissheit ins Auge zu blicken „Du wirst sterben, fürchterlich leiden …“, lässt uns alle erschaudern. Der Stoff, aus dem Albträume gestrickt sind.

Stell Dir nun vor, Du bist Zeuge eines Brandes. Dein Haus brennt. Und die Flammen greifen schnell um sich. Du konntest Dich gerade noch retten, aber jemand anderes, jemand hilfloses konnte es nicht. Eine Person, ein Tier, ganz egal. Du wirst verzweifeln und vielleicht sogar versuchen, Dein eigenes Leben aufs Spiel zu setzen. Aus unbändiger Liebe. Aber Du kommst nicht durch. Jede Hilfe zu spät. Schreie dringen an Dein Ohr. Ein Albtraum.

Jeder empathische Mensch würde bei einem Brand zur Hilfe eilen. Nicht nur an sich selber denken. Ungeachtet dessen, ob nun ein Mensch oder ein Tier in Gefahr ist. Die Vorstellung, mitanzusehen und anzuhören, wie ein Leben in den Flammen vergeht, ist an Grausamkeit wohl kaum zu überbieten.

Wenn ein Stall brennt und dort ein Schwein wäre, Du würdest helfen wollen. Es nicht umkommen lassen. Ein bei lebendigem Leibe brennendes Schwein ist eine Tragödie. Die Schreie des Tieres würden Dich Dein Leben lang nicht mehr loslassen.

Stell Dir nun einen Stall mit 100 Schweinen vor. Eingesperrt in Boxen und Kastenständen. Eine Rettung von 100 Schweinen würde nicht nur Dich, sondern auch die Feuerwehr vor eine unfassbare Aufgabe stellen. Das eigene Leben zu riskieren, Buchten und Kastenstände zu öffnen. Die verzweifelten und schreienden Tiere nach draußen zu führen. Während die Flammen rasend schnell um sich greifen. Ein unmögliches Unterfangen.

Es brennt ein Stall mit 1000 Tieren. Bis die alarmierte Feuerwehr eintrifft, hat der Brand schon eine solche Intensität, dass das Leben der Feuerwehrleute in Gefahr wäre. Schreiende, brennende und erstickende Tiere sind der wahrscheinlichste Ausgang dieses Szenarios. Ställe mit 1000 Tieren sind in diesem Land keine Seltenheit, sondern die Regel.

In Alt Tellin brannte Europas „Mega-Schweinestall“. Dicht an Dich gebaut standen die Hallen, in denen unsere Gesellschaft augenscheinlich „ganz legal“ 60.000 Schweine zusammengepfercht hat. Eingesperrt ohne Chance auf Flucht oder Rettung im Katastrophenfall. Nicht eingesperrt durch die LFD Holding, sondern durch uns alle. Weil wir es als Gesellschaft erlaubten.

Die Aufräumarbeiten zu dieser furchtbarsten aller Brandkatastrophen in der Geschichte der deutschen „Schweinehaltung“ dauern weiter an. Doch Zahlen, pure Mathematik können das unvorstellbare Grauen und den Albtraum niemals verständlich machen.

Der Bericht, dass nun 2000 Tonnen Tierkadaver entsorgt werden müssen, spricht Bände über den Zustand unserer Gesellschaft und auch über die Berichterstattung zu diesem Verbrechen an den Tieren.

Reduziert auf das Gewicht ihrer nun leblosen, verbrannten Körper. Wir nennen sie nicht einmal Tote oder Leichen. Es sind Kadaver. Kein Funken Empathie für das Leiden jedes einzelnen der vielen Schweine. Kein Zeichen des Mitleids oder des Mitgefühls. Weil Zahlen dazu niemals in der Lage sind.

Es sprengt jede Vorstellungskraft, was die armen Schweine von Alt Tellin haben durchmachen müssen. Statt ihr Leiden zu spüren, nachzuempfinden und in der Folge aufzuwachen und sich zu ändern, schauen wir Menschen lieber weiter weg. Verstecken uns hinter der vermeintlichen Logik und Kälte der Mathematik. Als ob die Zahl 2000 Tonnen irgendeine Symbolik hätte.

Wenn ein Schwein brennt und stirbt, ist es eine Tragödie. Wenn 100 Schweine brennen und sterben, ist es ein unfassbares Drama. Wenn fast 60.000 Schweine brennen, ist es ein monumentales Verbrechen.

Doch weder die Presse, noch die Verantwortlichen werden dies jemals in dieser Weise akzeptieren. Schweine sind zum Essen da. Sie werden nur für unseren „Nutzen“ in die Welt gesetzt. Was macht es dann einen Unterschied, wenn an einem Tag statt 160.000 Schweine tatsächlich 220.000 Schweine in Deutschland elendig verrecken?

Für uns aber zählt jedes Schweineleben. Jede Seele, die in ihnen wohnt, wiegt schwerer als es die Mathematik und Physik jemals zu messen imstande wäre. Jedes verbrannte Schwein in Alt Tellin ist eine Anklage an unser empathieloses Zeitalter. In Deutschland und anderswo.

Wenn der Brand von Alt Tellin und die unfassbare Entstehungsgeschichte dieser Anlage zu keinem Umdenken führt, dann sind die Tiere von Alt Tellin nicht nur umsonst gestorben. Dann sind mit dem letzten Atemzug des letzten Ferkels oder der letzten Muttersau von Alt Tellin auch die Hoffnung für alle anderen Tiere und für unsere Gesellschaft insgesamt in Rauch aufgegangen. Am 30.03.2021 in Alt Tellin.

Lasst es nicht so weit kommen.

NieWiederAltTellin