🎄 2. Advent – Oink zum Sonntag – Weihnachtsausgabe

Silvan – das Wildschwein, das leben wollte

Es war kurz vor Weihnachten.
Die Luft war klar, die Erde gefroren.
Frost hing in den Zweigen, und die WĂ€lder atmeten Stille.

Zwischen den Schatten standen MĂ€nner – mit grĂŒnen Jacken, roten Gesichtern und kaltem Atem.
Sie trugen Gewehre, Hunde an ihrer Seite und die Tradition der Jagd, der sie folgten.
Auch er war dort – der Mann, von dem ich dir erzĂ€hlen will.

Er war kein böser Mensch.
Er glaubte nur, was man ihm beigebracht hatte:
dass Jagd notwendig sei, dass Ordnung herrschen mĂŒsse im Wald.
Dass das so gehöre, seit Generationen.

Er hob die Waffe.
Zielte.
Und dann sah er ihn.

🐗 Silvan.

Ein Wildschwein, krĂ€ftig, wachsam – und doch still.
Kein panischer Lauf. Kein Angriff.
Nur ein Blick.
Ein tiefer, dunkler Blick, der den Wind anhielt.

Ein Blick, der sagte:
Ich will leben.
Nicht kÀmpfen.
Nicht fliehen.
Nicht sterben.
Einfach nur leben.

Und in diesem Moment geschah etwas.
Der Mann spĂŒrte, wie seine HĂ€nde zitterten.
Nicht vor KĂ€lte.
Sondern, weil etwas in ihm brannte – ein Funke von Zweifel, von Erinnerung.

Warum?
Warum halte ich ein Leben im Visier, das mir nichts getan hat?
Warum nenne ich es wild, wenn es nur frei ist?
Warum glaube ich, sein Atem sei weniger wert als meiner?

Er senkte die Waffe.
Zum ersten Mal.

đŸŒČ
Heute lebt Silvan.
Er streift durch einen stillen Wald, fern von SchĂŒssen und Fallen.
Ein Schutzgebiet, wo die Erde weich ist und die Sonne zwischen den StÀmmen tanzt.
Manchmal sieht man Spuren im Schnee – AbdrĂŒcke, die davon erzĂ€hlen, dass jemand da war.

Und der Mann?
Er jagt nicht mehr.
Er redet selten darĂŒber.
Nur manchmal, wenn der Wind nach Tannennadeln riecht und die Welt leise wird, erzÀhlt er von einem Blick, der alles verÀndert hat.

✹
Vielleicht beginnt VerÀnderung nicht laut,
sondern mit einem Moment des Erkennens.
Mit einem Schwein.
Mit einem Herz, das sich erinnert, was MitgefĂŒhl ist.

Und vielleicht ist das die wahre Weihnachtsbotschaft:
Nicht Frieden auf Erden fĂŒr Menschen allein,
sondern fĂŒr alle, die fĂŒhlen.